Besucherstimmen

Seit Eröffnung des Holocaust Denkmals erreichen uns immer wieder Briefe von Besuchern, die das Denkmal besucht haben. Gerne stellen wir Ihnen Auszüge dieser Briefe vor.

 

1. Brief - Stockholm, 2006

Brief des Oberrabbiners von Stockholm/Schweden nach seinem Besuch des Denkmals

Stockholm, 30 October 2006

My wife and I want to thank you, not only for taking of your time to guide us through the Holocaust Museum, but, even more, for your having introduced us to this unique memorial. Our response was stronger than we had ever imagined it would be. The huge stones on the surface evoked sensations of shock. The exhibitions and activities underground produced greater understanding of the crime of the Holocaust and also for the tragedy. It was obvious that the quality of human life stolen from the victims was infinitely superior to the life of the perpetrators, so inferior in moral quality.

While it is easy to express our formal thanks, it is much more difficult to formulate the emotions that we will, throughout the rest of our lives, associate with our hours in the museum. You will recall that not the least of all my overwhelming reactions to the numerous (and tastefully presented) displays and activities was the opportunity to sign in to the Yad Vashem archives and almost immediately receive a long list of names. These were victims of the Nazis, who must have been the descendents of relatives of my maternal grandmother …

Please convey to those responsible for the existence of this museum my deep appreciation for the greatness of this tribute to those who fell for Kiddush Hashem in the dark days of the Nazi persecution. This dignified memorial obviously meant most to me, but I want to also note with appreciation how that which they saw and heard affected the numerous non-Jewish visitors with much weaker ties to those events than I have. You have, indeed, found a way to make this history live. Thank you for being so successful.

Most sincerely, and respectfully,

Morton H. Narrowe
Chief Rabbi Emeritus of Stockholm, Sweden

 

2. Brief - Hamburg, 6.7.2006

 

Sehr geehrte Frau Rosh!

Ich habe mich in meinem ganzen Leben als Lehrer bemüht, mit meinen Schülern Antworten auf die beiden drängendsten Fragen unserer unseligen Geschichte zu finden, und zwar, wie es zum Vernichtungskrieg und zum Völkermord an den Juden kommen konnte. Und ich bin jedes Jahr mit ihnen in die Synagoge gegangen, um Gespräche mit dem dortigen Kantor zu führen – woraus sich mit dem leider an Leukämie verstorbenen Günter Singer eine richtige Freundschaft entwickelte.

Ja – und nun besuchte ich anlässlich eines Berlin-Aufenthaltes das Holocaust-Mahnmal. Besonders die Dokumentation trag mich in tiefer Seele. Noch am Abend desselben Tages kamen mit die Worte, die sich zu dem beigelegten Gedicht fügten.

Meine Freunde waren von den wenigen Zeilen so beeidruckt, dass sie mir rieten, Ihnen die Worte zukommen zu lassen – gleichsam als Dank für Ihren unermüdlichen Einsatz; und um Ihnen zu zeigen, dass wir bereit sind, uns immer wieder aufs Neue unserer Vergangenheit zu stellen, um „gereinigt“ in eine bessere Zukunft zu gehen.

Es ist erfreulich zu sehen, welchen Zuspruch das Mahnmal, das lange Zeit sehr umstritten war, inzwischen gefunden hat. Ich glaube, es ist wie ein Stein, der ins Wasser gefallen ist und nun immer größere Kreise zieht.

Mit freundlichen Grüßen

Horst Eichler

 

3. Brief - Wiesbaden vom 12. Mai 2005:

 

Es ist mir ein Bedürfnis, Ihnen Frau Rosh, meine Hochachtung auszudrücken. Sie haben gegen übermächtige Bürokratie und vor allem gegen alle, die gerne vergessen wollen, gesiegt und etwas Großartiges geschaffen. Ich danke Ihnen auch im Namen meiner vielen Familienangehörigen aus Berlin und Breslau, die nun eine Stätte der Erinnerung haben.

Leider aber werden – wie von Paul Spiegel und Ihnen vorausgesagt – schon die „kritischen“ Stimmen laut, die die 24 Millionen für das Denkmal abfällig beurteilen. Darauf habe ich erwidert – und es ist eine Schande, dass man Menschenleben mit Geld aufrechnen muss – dass bei 6 Millionen, auf bestialische Weise hingeschlachteten Männern, Frauen und Kindern gerade einmal ganze Euro 4,00 für jeden ermordeten Menschen und sein Andenken aufgebracht wurden. Allein mit dem, aus jüdischem Besitz geraubten Vermögen … könnte man ein Denkmal bauen, das ganz Berlin und darüber hinaus abdecken würde. … Nochmals meine ausgezeichnete Hochachtung

 

4. Brief - Frankfurt vom 10. Mai 2005

 

Ganz unprätentiös möchte ich Ihnen heute persönlich meine Hochachtung, Bewunderung und vor allem meinen Dank aussprechen. Dank dafür, dass Sie, gemeinsam mit Ihren Mitstreitern, so viel Mut und Ausdauer aufgebracht haben, gegen viele schier unüberwindliche Hindernisse, Anfeindungen und Verleumdungen das Denkmal für die ermordeten Juden Europas durchzusetzen.

Ich habe seinerzeit die von Ihnen am Einweihungstag angesprochene Fernsehdokumentation verfolgt, kenne auch den Shoah-Film von Claude Lanzmann und viele Dokumentationen mehr. Ich war in Israel, ich kenne Yad Vashem und habe erst kürzlich das beeindruckende Jüdische Museum in Berlin besucht. Immer aber hat mich ein tiefes Gefühl der Scham – auch im direkten Kontakt mit Juden im Amerika, deren Familien ermordet worden waren – erfasst. Für mich haben Sie mit diesem Denkmal diese Scham materialisiert, fassbar gemacht. Der vielfache Mord an den jüdischen Menschen durch Deutsche ist nie begreifbar zu machen – so sehr wir uns auch bemühen. Die Schuld ist nicht zu tilgen. Mit diesen Morden hat Deutschland auch einen Teil von sich selbst, von seiner Seele gemordet.
Sie und Ihre Mitstreiter haben mit diesem Projekt einen Ort geschaffen, wo sich - so ist zu hoffen – vielleicht durch tief empfundene Trauer ein Teil der verlorenen Seele wieder finden lässt. Dass dies möglich sein kann, ist Ihr Verdienst. Dafür danke ich Ihnen von ganzem Herzen.

 

5. Brief - 16. Mai 2005 aus Bremen:

 

… ich bin Ihnen wirklich dankbar, dass Sie es möglich gemnacht haben, meine Tochter und mich an der Einweihung des Holocaust-Mahnmals teilnehmen zu lassen. Um Sinn und Bedeutung des Mahnmals den Menschen näher zu bringen, werden die Bemühungen weitergehen müssen.

Viele Fragen sind unbeantwortet: „Wie konnte es geschehen?“ „Warum?“ „Wer hat was getan?“ „Wem wurde was getan?“
Beim Grübeln während des Wartens auf den Beginn, und auch noch während der Reden, gingen meine Gedanken zurück bis ins Alte Testament zur Geschichte von Kain und Abel. Auch an uns Deutsche wird die Frage gestellt: „Kain, wo ist Dein Bruder Abel?“ Kain hat sich gewunden, so wir Deutsche auch. Für seine Tat wurde er gezeichnet. Dieses Kainsmal tragen wir Deutsche nun auch, mit Berechtigung und für lange Zeit noch, vielleicht ewig. Ich denke, Herr Spiegel hat Recht: Richten wir den Blick auf die Täter – auf die einzelnen Kains und auf die Deutschen insgesamt. Durch Urlaube in den ehemals von Deutschen besetzten Ländern und besonders auch in Israel weiß ich, dass Deutsche meines Alters (80 Jahre) sehr misstrauisch beobachtet werden (Kain?).

Von nach Amerika ausgewanderten jüdischen Freunden habe ich sogar hören müssen, dass von den deutschen Nazis vertriebene Juden sich schämen, zu offenbaren, dass sie Deutsche waren. Wir sollten versuchen mit Hilfe des Mahnmals den Gedanken zu verbreiten, dass wir Deutsche dieses Kainsmal zu tragen haben. Und zwar alle – die Unterscheidung in Nazis und andere muss aufhören.

In unserem Ortsteil werden im September Stolpersteine vor dem Haus einer am 9. November 1938 ermordeten Arztfamilie eingelassen. Meine Frau und ich sind Paten dieser Steine, und ich werde mich bemühen, dass endlich der Begriff „deutsche Bürger jüdischen Glaubens“ in den offiziellen Reden nicht mehr vorkommt. (Wer spricht bei Ratzinger von „deutschem Bürger katholischen Glaubens“?).

Was hier geschehen ist, war Mord. Ein ehrenwerter Deutscher wurde von einem Deutschen ermordet! Für den Rest meines Lebens lasse ich mir diese Meinung nicht mehr ausreden.